Der Geruch von frisch geernteten Kräutern lag in der Luft. Selmas Mutter schien wohl endlich von ihrer Kräuterwanderung zurück zu sein. Heute Vormittag hatte sie Selma erklärt, dass sie eine Zeitlang nicht zuhause wäre, da sie ihre Kräuter Vorräte auffüllen müsste.
Selma hatte gebettelt mit gehen zu dürfen. Allerdings hatten nicht mal die großen Kulleraugen geholfen ihre Bitte durchzusetzten. So saß sie nun da und übte brav, wie es ihr ihre Mutter aufgetragen hatte, lesen.

Nur zu oft hatte sie betont, das wenn jemand etwas werden wollte, er Bildung brauchte und ihre Tochter würde keine ungebildete Bauernmagdt werden, die ihr Leben auf einem Hof fristen musste, weil sie für nichts anderes taugte. Sie sollte fähig sein, selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen und ebenso in der Lage zu sein auf ein gewisses Grundwissen zurück greifen zu können. So saß also Selma da und las Seite um Seite in einem dicken Wälzer über Flora und Fauna der hiesigen Wälder. Wenn sie schon nicht mit konnte würde sie darüber wenigstens das Gefühl erhalten im Wald gewesen zu sein. Wörter die sie nicht verstand oder ihr schwerfielen zu lesen, schrieb sie sich auf ihre Tafel auf, um sie später ihrer Mutter zeigen und sich von ihr erklären lassen zu können.
Plötzlich hörte sie von unten die laute Ziegenglocke, die bekannt gab, dass das Mittagessen nun fertig war. Ihr Vater hatte heute wohl gekocht. Ihre Eltern teilten sich je nachdem wer mehr Arbeit hatte auf, wer sich wann ums essen kümmerte. Das war in anderen Familien nicht so. Selma hatte früh gelernt nicht zu viel darüber zu erzählen, wie so manche Abläufe bei ihnen zuhause geregelt waren. Viele der Mütter, ihrer wenigen Freunde, wurden sehr ausfallend ihrer Mutter gegenüber, wenn sie erfuhren, das ab und an ihr Vater z.B. für die Familie kochte. Sie schimpften dann immer, wie unverantwortlich es von ihrer Mutter war, ihre Aufgabe an den Mann abzuwälzen. Zusätzlich beleidigten sie indirekt ihren Vater, mit Formulierungen, die schlussfolgern ließen, dass sie ihn zu dumm zum kochen hielten.
Als Selma noch ganz klein war hatte sie nicht verstanden warum sie so verärgert waren, denn für sie war es das normalste der Welt, das auch ihr Vater ab und an kochte. Je älter sie wurde, desto mehr verstand sie, dass das eigentlich eine sehr eigenwillige Rollenverteilung bei ihnen in der Umgebung war und daher auf so viel Ablehnung traf. Jetzt mit ihren 11 Jahren hatte sie verstanden, dass sie manche Themen einfach ausließ, wenn die Sprache darauf viel. Es verhinderte wütende Mütter vor ihrer Haustüre und bemitleidende Blicke in Richtung ihres Vaters von anderen Männern.
Sie laß noch den letzten Absatz über die Wirkstoffe einer Pflanze namens Ringelblume fertig, merkte sich die Seite auf der sie war und klappte das schwere, in ledergebundene Buch zu. Sorgfältig verstaute sie das Lexikon in dem Fach ihres Schreibtisches. Als sie ihren kleinen Schreibtisch aus Buchenholz fertig aufgeräumt hatte, glitt Selma mit einem leichten Hopser von ihrem Stuhl hinab. Da ihre Eltern es nicht mochten, wenn sie völlig zerzaust zum Essen kam, strich sie sich mit hastigen Bewegungen ihren blonden Haare wieder zurecht und schlenderte die kleine Treppe hinab in die Wohnküche. Ein Blick über die Feuerstelle verriet ihr, dass sich ihre Nase nicht getäuscht hatte. Ihre Mutter war zurück und hatte bereits die neuen Kräuter zu Büscheln zusammengebunden und zum Trocknen aufgehangen. Die Büschel baumelten, nun kopfüber an einem Ast, über der Feuerstelle. Leicht wippten sie in der warmen aufsteigenden Luft des Herdfeuers. Hinzu kam der herrliche Duft des Eintopfes ihres Vaters, der sich mit dem Geruch der frisch geschnittenen Kräuter vermischte. Sie war sich sicher, dass heute Pilze im Eintopf waren.
Zufrieden mit sich und ihrer kleinen Welt schlenderte sie vergnügt zu ihrem Vater an den gemütlichen Esstisch. Er räumte gerade noch das Holzbrett und die letzten Reste der verarbeiteten Knollen vom Tisch. Mit einer fließenden Bewegung, in der er den Stapel Geschirr zum Waschbottich stellte, warf er ihr mit der anderen Hand einen in Alkohol getränkten Lappen zu, damit sie den Tisch abwischen konnte. Das war auch so eine der speziellen Eigenarten ihrer Eltern. Es wurde vor dem Essen der Tisch abgewischt, nicht nur abgekehrt. Andere Haushalte taten das nicht. Die Krümel wurden von Tisch gefegt und maximal wurde der Boden danach gesäubert. Ihre Mutter und Vater bestanden darauf, dass er mit Alkohol gereinigt wurde. Sie erklärten ihrer Tochter immer, dass der Alkohol verhinderte, dass Krankheiten ins Essen kamen. Denn nicht der liebe Gott war für Krankheiten verantwortlich. Wenn man wie ein Dreckspatz lebte, würde man dem Teufel das Spiel schon sehr leicht machen. Selma hatte diese Aussagen nie in Frage gestellt. Also wischte sie, nachdem sie den Lappen gekonnt gefangen hatte, den Tisch ab. Jedes Mal, wenn sie Besuch von Freunden hatte, rümpften sie die Nase, wenn sie den Geruch von klarem Alkohol rochen, nachdem sie den Tisch gewischt hatte. Ihnen war er zu penetrant und zu beißend. Sie hingegen fand den Geruch von klarem, sauberen Alkohol äußerst erfrischend. Dieser war wesentlich angenehmer als der Gestank vom Urin der Dorfgemeinschaft, den ihr Vater in der Gerberei verwendet, um das Leder haltbar zu machen. Das war erst ein widerlicher Gestank, da war der klare Alkohol ein wahrer Segen dagegen. Zudem verflog er sofort nachdem man ihn auf den Tisch aufgetragen hatte.
Nachdem sie mit ihrem Werk zufrieden war, legte sie den Lappen neben den Bottich mit Wasser, in welchem auch die Messer zum Reinigen bereits einweichten. Gemütlichen Schrittes ging sie zum großen Topf, der über der Feuerstelle hing, hinüber und spähte neugierig hinein. Sie hatte richtig gerochen. Gerade in dem Moment, als sie hineinsah, versank ein Stückchen eines Pilzes in der dunkelroten Soße. Sie entdeckte noch Kartoffeln, einige Rüben, Brennnesselblätter und noch weitere Zutaten die sie aber nicht identifizieren konnte, da sie über und über von der sämigen Soße bedeckt waren. Der Geruch der in ihre Nase drang war ein Gedicht. Ihr Vater hatte sich mal wieder übertroffen. Sie musste auch feststellen, das er viel besser als ihre Mutter kochte. Er verstand sich einfach darauf Zutaten zu kombinieren, die einfach perfekt zusammen harmonierten. Ihre Mutter war praktischer veranlagt. Daher war sie ganz froh, wenn sie Mittags zu tun hatte. Natürlich würde sie ihr das niemals sagen. Sie gab sich unendlich viel Mühe und Selma würde dies stehts wertschätzen.
Voller Vorfreude auf das leckere Essen, ging sie zu dem kleinen Küchenschrank, holte drei Teller heraus und deckte damit den Tisch. Wie immer saß sie gegenüber dem kleinen Küchenfester, durch welches man direkt in den Wald schauen konnte. Wenn sie als Erste fertig war und noch auf ihre Eltern im stillen warten musste, bis diese aufgegessen hatte, konnte sie beobachten was dort draußen passierte. So war die Wartezeit nicht allzu langweilig. Ihre Mutter hatte irgendwann begonnen, daraus ein Spiel zu kreieren. Denn je mehr sie ihr danach berichten konnte, desto mehr durfte sie mit zu spannenden Ausflügen in den Wald oder ins nächste Dorf. Daher gab sich Selma extrem viel Mühe, sich so viel wie möglich zu merken und ihr zu berichten. Inzwischen klappte das ganz gut. Ihre Erzählungen wurden immer Detailreicher bis hin zu dem Punkt an dem sie ihr eine ganze Stunde, über die Geschehnisse vor dem kleinen Küchenfenster, berichtet hatte.
Als sie die Holzteller verteilt, die 3 Tonbecher passend dazu gestellt und die Picke überall dazu gelegt hatte, kam auch ihre Mutter herein. Ihre blonden langen Haare hatte sie wie üblich zu einem strengen Dutt zusammengebunden und die dreckige Schürze war für das Mittagessen ausgebürstet worden. Für sie wirkte ihre Mutter oft wie eine der schönen Fräuleins, die in ihren Kutschen ab und an durch ihr Dorf fuhren. Ihrer Ansicht nach war es wichtig darauf zu achten wie man auf andere wirkte. Sobald man mit Personen aus höheren Gesellschaftsschichten in Kontakt trat war es wichtig, dass sie einen selbst nicht als Bauerntrampel war nahmen. Dies konnte man erreichen, wenn man ein gepflegtes Äußeres hatte und verhielt wie sie. Natürlich würden sie früher oder später dahinter kommen, dass man nicht wie sie eines höheren Standes war, dennoch wären sie bis dahin bereit einem zu zuhören und je nach dem wie geschickt man sich bis dahin angestellt hatte, hörten sie einem auch weiter zu. Oft endete sie ihre Erklärung mit "... oder wie glaubst du wurden die heutigen Adeligen, adelig. Früher waren sie ja oft noch in ihren Stand hinein geboren. Aber jetzt ..." oft beugte sie sich danach zu ihr herab und schaute ihr tief in die Augen "... Jetzt kann man mit Geschickt und List seine Sterne neu Ordnen. So viele die von den Monstern umgebracht wurden und so viele Königreiche, welche sich unter ganz neuen Herrschern neu formten. Eine Zeit des Umbruchs." Bei diesen schon fast beschwörenden Worten, bekam Selma oft mit einem leichten Anflug von Angst zu tun. Warum wollte ihre Mutter zu einer Adeligen werden? Warum war ihr so viel daran gelegen, diese kleine Hütte am Rande des Waldes zu verlassen? Sie lebten doch ein glückliches Leben. Da ihre Mutter aber sehr versessen auf diesen Gedanken war, verbrachte Selma viele Nachmittage damit, die richtige Etikette, passende Haltung und Sprache zu lernen. Ebenso ermahnte ihre Mutter sie stehts, auf ihr Äußeres zu achten. Es war unglaublich anstrengend und langweilig. Selma verstand oft nicht warum ihre Mutter sich solche Mühe gab ihr diese Gepflogenheiten, so gut wie möglich, bei zu bringen. Sie würde ihr Dorf niemals für längere Zeit verlassen. Ebenso hegte sie keine Ambitionen von hier weg zu gehen. Wenn sie überlegte einem dieser Monster zu begegnen, allein ohne ihren Vater der sie beschützte. Bei dieser Vorstellung schauderte ihr.
Eine sanfte Berührung ihres Vaters holte sie aus ihren Grübeleien zurück. Liebevoll lächelte er sie an. "Na meine Kleine, wo warst du gerade?" Freundlich lächelte sie ihn an und zuckte mit den Schultern. "Mal hier, mal da." - "Mal hier, mal da? So so, etwa bei den verzauberten Fröschen die zu Prinzen werden? Und du hast einen davon geküsst und er ist dein Herzblatt geworden? Oder hast du gar gegen ein Monster gekämpft?" Bei diesen letzten Worten nahm er die Suppenkelle, die bereits auf dem Tisch lag und ging in eine Fechthaltung. Laut schrie er "Onguard, du Unhold! Ihr werdet bezichtigt zu niedlich für diese Welt zu sein!" Ein herausforderndes Funkeln blitze in seinen Augen auf. Selma ging sofort auf die Anspielung ein und schnappte sich den unbenutzten Kochlöffel, welcher neben der Feuerstelle an einem Haken hing. "Wie könnt ihr es wagen mich als niedlich zu bezeichnen. Ich bin die schreckliche Selma, die die euch heimsucht, wenn ihr nicht artig seid!" Ein jämmerliches aufheulen kam von ihrem Vater und das Theaterstück begann. Er gab vor, beim Klang ihres Namens, vor Angst zu erzittern und tat so als würde er die Flucht ergreifen wollen. Selma wiederum setze ihm nach und schnitt ihm den Weg durch die Küchentüre ab. Mit einem Satz war er hinter seiner Frau verschwunden und versteckte sich, wimmernd stand er da und jammerte ihr ins Ohr sie solle ihn beschützten vor der schrecklichen Selma. Sie wäre seine letzte Hoffnung. Für einen Bruchteil einer Sekunde kniff ihre Mutter die Augen zusammen und Selma hatte Angst, dass sie wegen der Alberei während der Mittagstisch schon gedeckt war, wüten werden würde. Allerdings entspannten sich ihre Gesichtszüge sogleich und sie ging drauf ein. "So so, ich soll euch helfen? Wofür bezichtigt ihr sie gleich noch einmal?" Sofort straffte ihr Vater die Schultern. "Ich bezichtige sie, dass sie zu niedlich ist! Schaut sie euch doch an, euer Ehren, das kann nur des Teufels Werk sein, dass jemand so zuckersüß ist!" Erhaben schritt ihre Mutter zu ihr herüber und beugte sich zu ihr herab. "Habt ihr euren Ankläger gehört? Was sagt ihr zu eurer Verteidigung?" Selma reagierte sofort, sie stand wie es ihre Mutter ihr gelehrt hatte, kerzengerade da, legte die Hände fromm in den Schoß und formulierte ihre Worte, so wie sie es einen Richter gegenüber tun würde. "Euer Ehren ich versichere euch, ich bin unschuldig. All diese Schandtaten, welcher mich der ehrenwerte Sir Delorian bezichtigt, habe und werde ich niemals getan haben. Gott ist mein Zeuge!" Ihre Mutter nickte bedächtig. "Nur weil ihr mir Eure Unschuld im Angesichts des Gerichts beteuert, muss dies noch lange nicht der Wahrheit entsprechen. Also frage ich euch, könnt ihr Beweisen, dass ihr unschuldig seit?" Selma überlegte kurz angestrengt, wie konnte man beweisen, dass Niedlichkeit, nicht Teufelswerk war. Das war eine schwere Aufgabe. Selmas Stirn legte sich in Falten während sie verzweifelt darüber nachdachte. Letzen Endes kam sie zu dem Entschluss, dass "zu niedlich sein" kein aussagekräftiger Grund für oder gegen Teufelswerk war und man nur mit anderen Beispielen, dass sie eine gute Person war, argumentieren konnte.
"Euer Ehren, reicht denn die Aussage, dass ich zu niedlich sei, als Anklage? Es könnte genauso gut Gotteswerk sein, dass er mich gesegnet hat, weil ich ein so guter Mensch bin. Daher möchte ich weitere entlastende Argumente darlegen, dass ich nicht vom Teufel besessen bin. Wenn, euer Ehren, mir dies gestattet?" Mit leicht gesengtem Blick wartete sie bis ihre Mutter, als Richterin, dem zustimmte. "Dem Antrag ist statt gegeben." Plötzlich wurde ihr Vater theatralisch laut. "Ihr könnt dieser Hexe doch nicht Gehör schenken, sie wird euch verzaubern!" Langsam wandte sich ihre Mutter in die Richtung ihres Vaters und sah ihn mit einem strafenden Blick an. "Wollt ihr meine Entscheidung anzweifeln, mich Richter durch Gottesgnaden?! Bald muss ich davon ausgehen, dass ihr derjenige seid, der einfach nur Unruhe stiften möchte." Als ihr Vater wieder still war und so tat als wäre er schrecklich Empört über diese Anschuldigung des Richters, begann Selma diverse Beispiele aufzuzählen warum sie keine Hexe oder ähnliches war. Sie wusste, wenn einmal das Wort Hexe fiel, würde das großen Ärger bedeuten. Also betonte sie, wie frömmig sie war, wie oft sie in dir Kirche ging. Dass sie jedem Tier, welches verletzt war half. Ebenso jedem Menschen half, der sie darum bat. Es reihte sich eine Analogie an guten Taten aneinander. Zu guter Letzt bleckte sie ihre Zähne, um zu verdeutlichen, dass sie keinerlei Spuren des Bösen an sich trug. Meist zeigten sich diese nämlich in den Mundräumen, wenn die Hexen versuchten sie zu verstecken. Nachdem sie fertig war, wartete sie demütig auf ihre Freisprechung. Ihre Mutter trat hinter den Tisch und entzog ihrem Vater die Suppenkelle beim vorbei gehen. "Dies ist eines der schwersten Urteile die ich je treffen musste. Die Argumente beider Parteien sind gut gewählt, allerdings habe ich mich nun für ein Urteil entschieden." Ihre Mutter machte eine dramaturgische Pause, um dem Gesagten Gewicht zu verleihen. Dann hob sie die Suppenkelle, um ihr Urteil zu verkünden. "Ich spreche hiermit Selma Deloria frei von Schuld, verpflichte sie aber sich mit dem Ankläger Sir Marius Deloria zu versöhnen bei einem Mittagessens." in dem Moment, als sie das letzte Wort aussprach, klopfte sie mit der Kelle auf den Gusseisernentopf und grinste die zwei Wirbelwinde an.
Selma klatschte vergnügt in die Hände und lief zu ihrer Mutter hinüber. Als sie ordentlich am Tisch saß, hob sie ihren Teller zum Topf hin und wartete darauf, dass sie ihn von ihrer Mutter befüllt bekäme. Diese legte aber nur den Kopf schief und sah sie mahnend an. "Ja ja, die Anderen zuerst." Also senkte sie ihren Teller und schnappte sich den von ihrem Vater. Sobald dieser mit der dampfenden Brühe gefüllt war, den ihrer Mutter und dann erst ihren eigenen. Ihr lief das Wasser bereits im Munde zusammen, so köstlich roch es. Der Duft von frischem Rettich, Kartoffeln, den Brennnesseln, die sie vorher schon gesehen hatte, stieg ihr in die Nase. Zudem waren so viele leckere Pilze wie schon seit langem nicht mehr darin. Endlich war wieder Pilzsaison. Selma liebte die frischen Pilze des Waldes. Alle hatten sie einen unterschiedlichen Geschmack und konnten auf die interessanteste Weise zubereitet werden. Es gab zum Beispiel einen Baumpilz, den man in Scheiben schneiden konnte und dann briet. Daraufhin hatte er ein herrlich rauchiges-erdiges Aroma und zusätzlich war er extrem nahrhaft. Ihre Mutter machte immer einige von ihnen für die Wintermonate haltbar. Damit sie auch an mageren Tagen, etwas Gutes auf den Tisch bekamen. So langsam begann auch wieder die Zeit des Einmachens und Vorräte auffrischen. Ihre Mutter würde nun sehr oft in den Wald gehen und Nahrung und Kräuter Sammeln und danach diese zuhause verarbeiten. Daraufhin würden die Regale ihres Erdkellers wieder voller und voller werden. Ihr Vater würde ebenso beginnen wieder einiges an Wild zu erlegen, um Dörrfleisch oder gesurtes Fleisch herzustellen. Am liebsten hatte sie den Räucherschinken. Meist verwendete er dazu Kaninchen. Ab und an hatten sie Glück und er schaffte es einen Hirsch zu erlegen. Selma hoffte inständig dieses Jahr auf die Jagd mitgehen zu dürfen. Bisher waren es immer die selben Worte ihres Vaters gewesen, die verhinderten, dass sie mit kommen konnte: "Meine kleine Selma, das ist noch nichts für dich. Dafür musst du noch älter werden." Aber sie war nun 11 Jahre alt. Die anderen Kinder aus ihrem Dorf durften nun langsam auch mit. Sie war bereit dafür. Glaubte sie zumindest. Sie würde ihren Vater beweisen, wenn er sie dieses Mal mitnehmen würde.
Ihre Mutter faltete die Hände zum Tischgebet. Es wurde immer der selbe Psalm runtergebetet und dann aßen sie leise ihre Mahlzeit. Selma versuchte jeden Bissen bis ins kleinste Detail zu analysieren und zu schmecken. In der Soße war Rotwein eingearbeitet, ebenso schmeckte sie, dass ihr Vater auch etwas vom Kartoffelwasser hinzugefügt hatte um sie dickflüssiger zu gestalten. Die rote Farbe und Hauptgeschmacksgeber, der Soße, war Rotebeete. Abgerundet war alles mit einem Schuss Ziegenmilch. Slema kam ein kleiner Schmatzer aus. Sofort warf sie einen entschuldigenden Blick in Richtung ihrer Mutter, auch das mahnte sie ab. heute schien sie aber gut gelaunt zu sein, denn sie nahm ohne ein Wimpernzucken ihren entschuldigenden Blick war und beließ es dabei. Ihre Mahlzeit war viel zu wenig und egal wie oft sie den Pilz im Mund hin und her wand, sie hätte gern mehr davon gehabt. Aber der Topf war nach den drei Portionen leer gewesen. Daher verbrachte sie die ersten Minuten damit sich an den Geschmack zu erinnern, um so lange wie Möglich von der Erinnerung zu zehren. Als diese fort war wandte sie sich dem kleinen Fenster zu aus dem sie immer den Wald beobachtete und wartete sehnlichst darauf, dass ihre Eltern mit dem Essen fertig wurden, damit sie ihren Vater fragen konnte, ob sie auf die Jagd mit durfte.